35 Jahre Unersättliche und der Abschied vom aktiven Schützenwesen

 

In 2016 werden die Unersättlichen zum 35. Mal als Schützen über die Kaarster Straßen marschieren und zusammen mit den inzwischen vielen Bekannten und Freunden das Schützenfest feiern.

 

Kinder, wie die Zeit vergeht!

 

Wie hat sich das eigentlich im Laufe der Jahre so entwickelt mit den Unersättlichen?

 

Der Verfasser dieser Zeilen war selbst nicht dabei, als die Gründung eines Schützenzuges in Kaarst von den damaligen und heute noch aktiven Zugmitgliedern Hans-Willi Wesemüller, Karl Botschen, Werner Freudenberg, Dieter Schatull und Helmut Schmitz beschlossen wurde. Man schrieb den Spätherbst des Jahres 1981 und war sich schnell in den wichtigen Punkten einig: feiern wollte man, Geselligkeit erleben und fördern, beim Schützenfest dabei sein usw. Und als Jägerzug wollte man mitmarschieren – obwohl erste Gedanken in eine ganz andere Richtung gingen – aber ein Marine-Zug im Kaarster Schützenwesen war zumindest Anfang der 1980´er Jahre mit dem damaligen Vorstand nicht vorstellbar. Die erste Satzung wurde gefertigt, noch kurz und knackig. Hans-Willi Wesemüller ließ – Böses für Folgejahre ahnend – festschreiben, dass er niemals Zugführer sein müsste.

 

Und 1982 lief man dann erstmals mit den anderen Kaarster Schützen durch die Straßen und feierte kräftig mit. Ende 1983 kam dann der Verfasser dieser Zeilen, der heutige Hauptmann Peter Lambertz, mit ins Boot, um bei seinem ersten Schützenfest 1984 zu erleben, wie plötzlich der Zug in den Mittelpunkt des Interesses der Kaarster rückte.

 

Gründungsmitglied Werner Freudenberg, nach langer Zeit der Berufstätigkeit im Ausland von Heimatgefühlen überwältigt, hatte sich spontan – ohne Wissen seiner Frau – entschlossen, auf den Königsvogel zu schießen und getroffen. Die Unersättlichen waren Königszug – die Mitglieder Hans-Willi Wesemüller und Karl Botschen Minister des Königs, so dass die Reihen beim Schützenfest 1985 doch arg gelichtet waren, als man als Zug – ohne den König und seine Minister, die ja ganz in Schwarz „was Besseres darstellten“ – zu den Umzügen aufstellte. Zusammen mit dem Ehrenzug „Jägerlust“ unter Hpt. Robert Fassbender wurde an der Alten Heerstraße/Ecke Mittelstraße eine prächtige Residenz aufgebaut.

Residenz Juni 1985, heute steht dort ein Wohnhaus mit Sonnenbankstudio
Residenz Juni 1985, heute steht dort ein Wohnhaus mit Sonnenbankstudio

Am Schützenfestsonntag 1985 – es goß in Strömen – gingen, uns zu Ehren, die Swinging Fanfares aus Düsseldorf voran. Leider ließ uns der Schützenmeister Heinrich „Bumm“ Schnitzler zu spät zur Parade loslaufen, so dass die Swinging Fanfares schon enteilt waren und wir – ganz ohne Musik – an unserem König verbeimarschierten. Also, das war nass, peinlich und trotzdem irgendwie schön und vor allem erinnerungswürdig (wie diese Zeilen belegen).

Die Unersättlichen mit Gastmarschierern 1985
Die Unersättlichen mit Gastmarschierern 1985

Von links nach rechts:Hans-Heinrich Gilges (verst.), Fred Schlegel, Günther Schmitz, Rolf Keller, Hans-Willi Wesemüller (Minister), S.M. Werner Freudenberg, Hptm. Karl Botschen (Minister), Peter Lambertz, Thomas Freudenberg (Gast), Helmut Schmitz, Conny Ruthenberg (verst.) und Hans-Dieter (Schatty) Schatull.

 

Kinder, wie die Zeit vergeht!

 

In den Folgejahren gab es dann immer wieder schöne Schützenfeste, kräftige Feierlichkeiten und jedes Jahr die obligatorische Zugtour mit Damen, bei der immer der jeweilige Zugkönig der Unersättlichen, aber auch eine Königin der Damen ausgeschossen wurde. Das Motto des Zuges aus dem Trinkspruch „Hurrah, wir leben noch“ war zwischenzeitlich in Kaarst bekannt und jeder König musste sich diesen Spruch beim Vorbeimarsch und der Paradeabnahme mehrmals anhöhren. Solange, bis auch dem Letzten klar war: Die Unersättlichen sind fester integrierter Bestandteile des Kaarster Schützenfestes.

 

Man engagierte sich in vielfältiger Weise in der Bruderschaft und im Jägercorps, Werner Freudenberg führte über 16 Jahre als Schützenmeister bzw. sein Vertreter ein hartes aber faires Regiment, an das sich so mancher Spielmannszug nicht immer gerne erinnerte. Denn Unzulänglichkeiten, Unpünktlichkeit oder etwa nicht vollständiges Antreten wurde von Werner zum Vorteil aller Schützen nie geduldet, sofort energisch angesprochen und so „abgestellt“. Als Werner 2002 als Schützenmeister abtrat um Jüngeren Platz zu machen wählten ihn die Mitglieder der Bruderschaft zum Ehrenvorstand.

 

Kinder, wie die Zeit vergeht!

 

1998 erfolgte ein Wechsel an der Spitze der Unersättlichen: Karl Botschen trat als Hauptmann zurück und Peter Lambertz übernahm das Ruder. Das Schiff „Die Unersättlichen“ war ein wenig ins Schlingern geraten, aber mit Hilfe von Kameradschaft und neuem „Corpsgeist“ fanden die Unersättlichen wieder in die Spur zurück. Wenige Jahre später konnte man dann im Rathaus mit einer großen Anzahl von geladenen Gästen das 25. jährige Bestehen des Zuges feiern.

Die Unersättlichen im Jubiläumsjahr 2006
Die Unersättlichen im Jubiläumsjahr 2006

Von links nach rechts: Dieter Schatull (Schatty), Karl Botschen, Hartmut Kalla, Helmut Schmitz, Peter Grings, Willi Esser , Hans-Willi Wesemüller, Peter Lambertz, Horst (Mulles) Berger, Werner Freudenberg, Jörg Meister.

 

Helmut Schmitz wurde Jägerkönig und vervollständigte damit die Königswürdensammlung des Zuges. Eine neue Tradition wurde ins Leben gerufen, denn viele Jahre lang setzte der Zug erstmals für die Bruderschaft dem Bürgermeister der Stadt Kaarst den Bürgermeistermai vor dem Rathaus. Ein spannendes neues und arbeitsreiches Erlebnis, dass noch einmal Elan und Ehrgeiz erforderte aber auch das Zusammenwachsen des Zuges nochmal deutlich steigerte. Rechtzeitig, bevor diese Aufgabe die doch in die Jahre gekommenen Unersättlichen überforderte, wurde mit den Grünen Drachen ein Nachfolgezug für diese Aufgabe gefunden, so dass diese Tradition weiter fortlebt.

 

Ja, und jetzt werden es dann 35 Jahre Unersättliche sein. Und die Zeit, die vergangen ist, hat aus den „Jungen“ von 1981 ins Rentenalter kommende Männer werden lassen. Leider sind auch einige ehemalige Unersättliche nicht mehr unter uns. An dieser Stelle sei daher unserer verstorbenen Zugkameraden Heinz Freudenberg, Hans-Heinrich Gilges, Peter Wallfass und Conny Ruthenberg gedacht. Einige der heutigen Unersättlichen haben schon deutlich die 70 hinter sich gelassen, die meisten sind inzwischen beruflich im Ruhestand, einige müssen noch ein paar Jahre ran. Zwei sind bereits seit einigen Jahren nicht mehr aktiv dabei, so nach und nach „erwischt“ es auch weitere Unersättliche, wenn es darum geht, die Strapazen, die mit den Umzügen zum Schützenfest verbunden sind, zu meistern.

 

Die Gemeinschaft ist intakt, ein fester Zusammenhalt ist da und der unbedingte Wille, den Zug und die Freundschaft weiter zu pflegen und aufrechtzuerhalten ist uneingeschränkt vorhanden. Aber alle sind einstimmig der Ansicht, dass es Zeit ist in den Ruhestand zu gehen. Man sollte aufhören, wenn es schön ist und es Spaß macht. Von daher werden die Unersättlichen 2016 das letzte Mal aktiv das Schützenfest feiern, am König vorbeimarschieren und mit Stolz ihr Blumenhorn präsentieren.

 

Die Unersättlichen im Oktober 2015.
Die Unersättlichen im Oktober 2015.

Von links nach rechts: Horst (Mulles) Berger, Hans-Willi Wesemüller, Hartmut Kalla, Dieter Schatull (Schatty), Jörg Meister, Werner Freudenberg, Karl Botschen, Peter Lambertz, Helmut Schmitz, Willi Esser. Es fehlt Peter Grings.

 

Kinder wie die Zeit vergeht!

 

In der Folge werden wir uns als aktive Schützen zurückziehen. Wir werden der Bruderschaft und dem Jägercorps immer verbunden bleiben, als passive Mitglieder weiterhin die Ideale von Glaube Sitte und Heimat leben und fördern und, wann immer unser Rat oder unsere Hilfe gefragt ist, die Schützengemeinschaft weiter unterstützen. Wir werden weiter Zugversammlungen abhalten und Zugtouren unternehmen, wir werden weiter unseren Zugkönig ausschießen und wir werden Schützenfest in Kaarst weiter feiern – nur anders. Wir werden vom Rande aus, voller Stolz aktiv dazugehört zu haben, die Schützen bei ihren Umzügen bewundern und beklatschen und dabei sicher den ein oder anderen wehmütigen Kommentar abgeben.

 

Und das „Hurrah, wir leben noch“ wird 2016 sicher nicht zum letzten Mal erschallen, es soll noch viele Jahre in Kaarst den Hinweis auf eine rührige, starke Gemeinschaft im Sommer-Brauchtum der Stadt sein.

 

Wir wünschen allen Schützen weiterhin viel Spaß beim Schützenfest aber auch beim aktiven Eintreten für Glaube, Sitte und Heimat.

 

Peter Lambertz, Hptm. „Die Unersättlichen“