Ein großer König aus den Reihen der Unersättlichen

1984/1985


Eine große Ehre für jeden Schützenzug ist es sicherlich, irgendwann einmal in seiner Zuggeschichte den großen Schützenkönig seiner Heimatstadt gestellt zu haben. Diese Ehre hatten die Unersättlichen bereits im dritten Jahr nach ihrer Gründung: Mit Werner Freudenberg stellten sie den Schützenkönig der Stadt Kaarst,

Und heute wollen wir zurückblicken: Wie war das eigentlich noch mal damals, ....im Spätfrühling 1984, an jenem Dienstag des Kaarster Schützenfestes (bis 17:00)?

Es war eine klassische Situation. Ein schönes Schützenfest (bis Montags) gefeiert, ein toller Frühschoppen bei dem Gesellschaftszug "Gute Laune" im Garten des damaligen Präsidenten der Guten Laune, Helmut Weckauf, und viel Spaß und Geselligkeit mit den Kameraden, verbunden mit der Freude für unseren Werner, nach langer beruflicher Abwesenheit im Ausland wieder in der Heimat ungezwungen feiern zu können.

 

In dieser Situation muss dann nur noch der ein oder andere Schützenkollege den Gedanken aussäen, wie es wäre, einmal Schützenkönig von Kaarst zu sein. Stimmt dann das Umfeld und sind mit Karl Botschen und Hans-Willi Wesemüller auch direkt zwei Kameraden zur Stelle, um sich untereinander auf Lebenszeit das Ehrenwort zu geben, immer für den anderen als Minister einzustehen, dann braucht es nur noch eine Portion Glück um das ersehnte Ziel zu erreichen.

...an jenem Dienstag nach 17:00 Uhr? Der Bruderschaftsvorstand hatte mit Vergnügen die Bewerbung angenommen und zusammen mit dem Konkurrenten um die Königswürde, Heinrich Pillen, ging es hinaus zum Schießstand am Schützenzelt. Im Gegensatz zum verregneten Montag spielte das Wetter mit und nach einem spannenden Wettkampf fiel der Vogel bei dem 62. Schuss vollständig herunter. Geschossen hatte unser Werner: Er war der neue König und bekam vom Vorgänger Günther Sturm und Präsident Peter Mayer das große Schützensilber umgelegt und die ersten Gratulationswünsche. Zu seinen Ministern ernannte er die Zugkollegen Karl Botschen und Hans-Willi Wesemüller. In einer Zeit, in der noch nicht jeder im Zelt ein Mobiltelefon zur Verfügung hatte, fuhr Alwine (Lambertz) zur "Königin" Hildegard, um mit zwei großen Cognac auf der Treppe erst einmal persönlich schonend die "frohe Botschaft" zu überbringen.

Danach herrschte an diesem Tag neben unbändiger Freude noch viel Aufregung, viele Hände wurden geschüttelt, Schultern (und später auch Sprüche) geklopft und der Abend endete erst in den frühen Morgenstunden bei Nada im Maubishof mit einer spontanen Königsparade im Lokal....am ersten Tag danach? Nach dem ersten mühsamen Aufstehen, genau genommen also noch vor dem Wachwerden, gab der Blick in die mit Blumensträußen überladene Badewanne Gewissheit: Ja, ich habe es getan! (Mein Gott, was habe ich getan?).

Neben den Blumen zeigte ein schon gut gefüllter Briefkasten, dass es sich inzwischen rund gesprochen hatte: Der Werner Freudenberg ist Schützenkönig!

Und vorsichtshalber gratulierte auch schon die ein oder andere Kaarster Bank oder Sparkasse, man weiß ja nie, ob man nicht für das nächste Jahr gebraucht wird! Der Abend mündete spontan in eine im und rund um das Deutsche Haus vollzogene Juxkrönung, bei der Heinrich Lessmann dafür sorgte, dass mit Topfdeckelmusik und Schubkarrenkutsche ein erster würdiger Rahmen für den neuen König entstand.

...in der Zeit vor dem Schützenfest 1985? Viele Termine waren zu absolvieren, und bei jedem wusste Werner als König: das erlebst du nur einmal, nur einmal ziehst du hier als König ein oder mit. Nur bei Fronleichnam, da war das anders. Wegen des Wechsels in der Terminierung des Kaarster Schützenfestes, orientiert am Pfingstfest, ging Werner sofort nach dem Königsschuss in 1984, aber auch vor seiner Krönung 1985, bei der Prozession als Kaarster König mit. Auch im Karneval, dem Winterbrauchtum, trat Werner mit seinen Ministern und den Damen auf. Dabei ging man gemeinsam, perfekt als Clown verkleidet, zur Sitzung der Schützenlust, wo man allerdings leider vom Vorstand in dieser Aufmachung nicht erkannt wurde. Übers Jahr war dann auch die Kleiderfrage geklärt worden: die Herren hatten sich auf Frack geeinigt, damals komplett mit Hemd und Schleife für 281,50 DM in Düsseldorf zu leihen. Für die Frauen stand fest: kein Bielefelder Barock, schöne aber nicht abgehobene Kleider sollten es sein. Dass dann Marietta als Frau Minister im trägerlosen Kleid zur Krönung erschien, brachte den damaligen Geschäftsführer Heinrich Lessmann sichtlich aus der Fassung: er freute sich entsetzlich ("he was not amused!"). Zum Ehrenzug hatte Werner die Jägerlust gewinnen können und ohne die "alten Knaben" wäre vieles, vor allem aber der Bau der Residenz, nicht so gut und reibungslos gelaufen.


 

Die Arbeiten an der Residenz gingen knapp 14 Tage vor Schützenfest in die heiße Phase, die letzte Woche baute der ganze Zug mit vielen freiwilligen Helfern an der wunderschönen Feststätte und kam dabei bei hochsommerlichen Temperaturen ganz schön ins Schwitzen! Leider sollte das gute Wetter nicht von Dauer sein!

...während des Schützenfestes 1985? Der Zug war stolz auf seinen König, der König stolz auf seinen Zug und so spendierte er dem Zug seine eigene Musik. Die Swinging Fanfares wurden engagiert und spielten den Königszug unter dem Jubel der Menge durch die Kaarster Straßen. Leider hatte auch der Schützenmeister Heinrich Schnitzler so viel Spaß an der Einlage der Swinging vor dem Rathaus, dass er ganz vergaß, dem Zug, unter der vertretenden Leitung von Schatty, das Kommando zum Vorbeimarsch zu geben. Und so wurde aus dem Highlight der Flop des Schützenfestes: Die Unersättliche marschierten ohne Musik an ihrem König vorbei. Kein Trost, dass trotzdem eine passable Reihe zustande kam. Das Wetter spielte insbesondere am Montag, dem großen Tag des Königs und des gesamten Hofstaats, nicht mit. Es regnete in Strömen und die schönen Kleider der Damen litten arg. Mariettas Kleid war dabei so nass geworden, dass man sie vor der Krönung noch kurz entschlossen "von unten" mit dem Fön trocken blasen musste. Die Krönung zeigte uns dann einen ruhigen, abgeklärten König. Souverän leitete er durch seine Rede, die mit "Meiner lieben Frau" begann und einem hörbaren Stoßseufzer (es ist vollbracht!) endete. Übrigens, die von allen anderen empfundene starke Nervosität des Königs war ebenso ein Gerücht wie die Fabel, erst durch gutes Zureden von Minister Hans-Willi, unter kräftiger Mithilfe der Herren Pils und Himbeergeist, sei Werner überhaupt in der Lage gewesen, die von ihm so gefürchtete Königsrede zu halten.

 

...nach vollbrachtem Königsjahr? So schön das Jahr war, so schön die Krönung war, so unerbittlich kam das Ende: Der König ist tot, es lebe der König, hieß es Dienstag nachmittag. Friedel Seeger war der Nachfolger und auf einmal standen König Werner und seine Minister nicht mehr im Mittelpunkt. Aber losgelöst von der Anspannung feierte man bis spät in die Nacht mit dem treuen Fußvolk aus den Reihen der Unersättlichen: wieder bei Nada im Maubishof schloss sich der Kreis. Zu vorgerückter Stunde verzückte uns der ehemalige König dann noch mit einem Tanz auf den Tischen, wobei sich Eingeweihte noch schmunzelnd an die durch die weiße Schützenhose schimmernde blau weiß gepunktete Unterhose ("die gute Lindes") erinnern. Ja, das war es dann auch schon! Die Erinnerungen wurden übrigens von einem notiert, der damals, 1984, als Werner auf den Vogel schoss, das erste Mal in den Reihen der Unersättlichen mitmarschierte. Und der, als er erfuhr, dass Werner auf den Vogel schießen wollte, mindestens genauso nervös wie entsetzt war. Der sich aber noch heute voller Stolz daran erinnert, dass er dabei war. Und der der festen Ansicht ist, dass dieses Jahr den Zug zusammengeschweißt und geprägt hat.

Von daher ist die Geschichte aus der Sicht des beteiligten Zuschauers erzählt, als König oder Königin, als Minister oder Ministerin mag sie sich ganz anders abgespielt haben.

P.L.